Erklärung TransMann e.V. zum Thema VÄ/PÄ nach §45 PStG

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Hallo liebe Männlichkeiten,

immer öfter bekommen wir Anfragen zum Thema „Änderung des Vornamens und des Personenstandes mit Hilfe des § 45 “Personenstandsgesetz“

Was bedeutet das genau?

Man kann zurzeit in vielen Foren, YouTube Videos, Gruppen usw. hören und lesen, dass das Prozedere ganz einfach ist. Man muss sich nur von einem Arzt ein Attest holen welches eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ attestiert. Mit diesem Attest geht man dann zum Standesamt und – schwupps – schon werden der Name und der Personenstand geändert. Super günstig und super einfach.

Wirklich?

Da wir durch jahrelange Erfahrung leider wissen, dass NICHTS so super einfach ist machen wir uns erst genau kundig bevor wir mit auf diesen „Mach das doch so – Zug“ aufspringen.

Der TransMann e.V. hat gute Kontakte zum Qualitätszirkel München. Der Qualitätszirkel München ist eine Organisation wo sich regelmäßig Therapeuten, Gutachter, Endokrinologen, Operateure, Logopäden, Epithetiker usw. rund zum Thema Trans* treffen. Sie beraten was gemacht werden kann um uns Trans*Menschen optimal zu unterstützen und uns so gut wie möglich zu helfen. JA klar, es geht in erster Linie um München. Aber die Erfahrung der des Qualitätszirkels München werden regelmäßig in die bundesweiten Ärztesymposien rein getragen die ebenfalls zu diesem Thema stattfinden und wo sich Ärzte aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Belgien usw. treffen. Ihr seht schon…. das Ganze zieht weitere Kreise. Und das ist auch gut so!

Der Qualitätszirkel hat uns auf unsere Anfrage hin folgendes mitgeteilt:

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Personen,
die Mitglieder des Qualitätszirkels erhalten zunehmend Anfragen bezüglich der Möglichkeiten einer Personenstandsänderung nach dem Personenstandsgesetz.

Wir haben dieses Thema intern eingehend diskutiert und diesbezüglich auch eine Anfrage an das Amtsgericht München gerichtet.

Der Begriff „Variante der Geschlechtsentwicklung“ ist in der Medizin und Sexualwissenschaft eindeutig definiert. Er bezieht sich ausschließlich auf bestimmte Entwicklungsvarianten, bei denen eine Inkongruenz der Chromosomen, Keimdrüsen oder Genitalien besteht.

Die von Herrn Bruns vertretene und vom Lesben- und Schwulenverband Deutschlands verbreitete Auffassung, man könne diesen Begriff auch auf transsexuelle Menschen anwenden, stellt die persönliche Meinung eines Juristen dar, die durch die wissenschaftliche Literatur nicht belegbar ist. Auch die Historie dieses Gesetzes lässt darauf schließen, dass der Gesetzgeber eine Regelung für intersexuelle Menschen schaffen wollte bzw. aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes schaffen musste.

In der deutschen Sprache steht das Wort „Geschlecht“ sowohl für die körperlichen Gegebenheiten als auch für das Geschlechtszugehörigkeitsempfinden. Der auf der Chicago Consensus Konferenz 2005 eingeführte Begriff „Disorder of Sex Development“ (DSD) enthält das englische Wort „Sex“, womit das körperliche Geschlecht bezeichnet wird.

Der Begriff DSD bezieht sich ausschließlich auf kongenitale (schon bei der Geburt bestehende) Varianten. Später erworbene oder durch eine ärztliche Behandlung hervorgerufene Entwicklungsvarianten fallen nicht darunter. Es existieren durchaus medizinische Krankheitsbilder, bei denen ein hormonelles Ungleichgewicht besteht, ohne dass sie zu den „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ gerechnet werden. Insofern ist die Schlussfolgerung, wonach jedes hormonelle Ungleichgewicht eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ darstellt, aus medizinischer Sicht logisch nicht nachvollziehbar.

Der Begriff „Disorder“ (Störung) wurde später in der deutschen Sprache durch das Wort „Variante“ ersetzt, um Betroffene nicht als krank einzustufen. Welche Varianten damit gemeint sind, können Sie dem Informationsblatt in der Anlage zu dieser Mail entnehmen. (TM e.V.: Dieses haben wir selbstverständlich unten mit angehängt damit ihr das nachlesen könnt)

Ob der Bezug, den die Gesetzesbegründung auf den Begriff der DSD („Varianten der Geschlechtsentwicklung“) nimmt, verfassungskonform oder nicht, können wir nicht beurteilen. Dies ist ausschließlich eine juristische Fragestellung.

Von Seiten des Amtsgerichts München wurde die Auffassung vertreten, dass die Anwendung des Begriffs „Variante der Geschlechtsentwicklung“ auf trans* Personen eine unzulässige Ausweitung des Begriffs darstellt und die Personenstandsänderung bei trans* Personen ausschließlich auf der Basis des TSG möglich ist.

Die Mitglieder des Qualitätszirkels Transsexualität sehen durchaus die Notwendigkeit, die Personenstandsänderung für Menschen mit Geschlechtsdysphorie neu zu regeln.
TM e.V.: Wie wir von einzelnen Mitgliedern des Qualitätszirkels wissen bedauern diese persönlich sehr, dass von Seiten des Gesetzgebers die Möglichkeit versäumt wurde, zusammen mit der Änderung des Personenstandsgesetzes eine für inter* und trans* Personen gleichermaßen zufriedenstellende Regelung zu schaffen.

Von einem ärztlichen Attest erwartet man zu Recht, dass es auf medizinischen Definitionen sowie den Erkenntnissen der Medizin und nicht auf individuellen Interpretationen eines Begriffs beruht. Dies gilt umso mehr für Stellungnahmen, die von Ärzt_innen erstellt werden, die sich beruflich schwerpunktmäßig mit dem Thema der Geschlechtsidentität beschäftigen.

Ärzt_innen haben Atteste nach bestem Wissen und Gewissen zu erstellen. In rechtlicher Hinsicht muss die Ärztin/der Arzt – und nicht etwa Herr Bruns – die Verantwortung tragen. Den Mitgliedern des Qualitätszirkels können wir nicht empfehlen, Gefälligkeitsatteste mit sachlich unrichtigem Inhalt zu erstellen.

Der LSVD vertritt die Auffassung, dass es für transgeschlechtliche Menschen „entgegen der Intention des Gesetzgebers“ einen Weg geben kann, das neue Gesetz zu nutzen. Die Steuerungsgruppe kann den Mitgliedern des Qualitätszirkels Transsexualität nicht guten Gewissens empfehlen, ärztliche Atteste an den geltenden Gesetzen vorbei zu erstellen.

Machen sich die Ärzte wirklich strafbar?

Der LSVD meint dazu:
Nach § 278 StGB werden Ärzt*innen bestraft, “welche ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft wider besseres Wissen ausstellen”.

Ob sich Ärzt*innen nach § 278 StGB strafbar machen, wenn sie inter- und transgeschlechtlichen Menschen ohne körperliche Anomalien bescheinigen, dass bei ihnen eine “Variante der Geschlechtsentwicklung” vorliegt, hängt davon ab, welche Personengruppen unter den Begriff “Variante der Geschlechtsentwicklung” fallen.

Der Hinweis in der Gesetzesbegründung, dass unter dem Begriff nur Menschen mit bestimmten körperlichen Anomalien fallen, ist nicht bindend, sondern nur eine Auslegungshilfe. Bindend ist dagegen die feststehende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Zugehörigkeit eines Menschen zu einem Geschlecht nicht allein nach den äußerlichen Geschlechtsmerkmalen im Zeitpunkt seiner Geburt bestimmt werden kann, sondern sie wesentlich auch von seiner psychischen Konstitution und selbstempfundenen Geschlechtlichkeit abhängt. Der Gesetzgeber muss die Rechtsordnung so ausgestalten, dass die rechtliche Zuordnung zum nachhaltig empfundenen Geschlecht nicht von unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht wird.

Daraus folgt, dass der Hinweis in der Gesetzesbegründung zu einer verfassungswidrigen Einschränkung des Begriffs “Variante der Geschlechtsentwicklung” führen würde. Sie ist deshalb unbeachtlich. Die Ärzt*innen können deshalb ohne weiteres auch inter- und transgeschlechtliche Menschen ohne körperliche Abweichungen unter den Begriff “Variante der Geschlechtsentwicklung” einordnen. Das ist möglich, weil der Gesetzgeber weder im Gesetz noch in der Begründung klargestellt hat, dass das Gesetz auf solche Menschen keine Anwendung finden soll. Außerdem hat er im Gesetzeswortlaut selbst– nur der ist bindend! – keine Definition von “Varianten der Geschlechtsentwicklung” vorgegeben, sondern nur in der Begründung. Diese ist aber verfassungswidrig zu eng gefasst.

Die Juristen sagen: “Der Begriff muss entgegen den Intentionen des Gesetzgebers ‘verfassungskonform’ ausgelegt werden.”

Welche Varianten der Geschlechtsentwicklung sind nun gemeint?

Die als „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ bezeichneten Phänomene haben unterschiedliche Ursachen. Früher wurden in der Medizin die Begriffe „Hermaphroditismus“, „Pseudo-hermaphroditismus“ oder „Intersexualität“ verwendet. Betroffene bezeichnen sich selbst als intersexuelle, inter* oder intergeschlechtliche Menschen.

Im Jahr 2005 wurde nach der Konsensuskonferenz in Chicago der Oberbegriff „Disorders of Sex Development (DSD)“ eingeführt. Dabei steht das englische Wort „Sex“ für das körperliche Geschlecht – im Gegensatz zu dem Begriff „Gender“, der das Geschlechtszugehörigkeitsempfinden bzw. die Geschlechtsidentität bezeichnet.

Da es Menschen gibt, die keine Behandlung benötigen oder wünschen, wird im deutschsprachigen Raum der Begriff „Variante“ an Stelle des Wortes „Disorder“ verwendet (siehe AWMF-S2k-Leitlinie 174/001 „Varianten der Geschlechtsentwicklung“, www.awmf.org). Die Bundesärztekammer spricht seit 2015 von „Varianten/Störungen der Geschlechtsentwicklung“, um eine Diskriminierung und Pathologisierung zu vermeiden.

Unter DSD werden ausschließlich kongenitale (d. h. schon bei der Geburt bestehende) Varianten verstanden. Später erworbene oder durch eine ärztliche Behandlung hervorgerufene Entwicklungs-varianten fallen nicht darunter.

Die aktuelle medizinische Terminologie beruht auf der bei der Konsensuskonferenz 2005 in Chicago vorgeschlagenen Klassifikation.

Definitionsgemäß werden unter DSD diejenigen Diagnosen zusammengefasst, bei denen die Geschlechtschromosomen, das Genitale oder die Gonaden (Keimdrüsen) inkongruent sind. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um folgende Phänomene:

1. Geschlechtschromosomale (gonosomale) Varianten, z. B.
Turner-Syndrom mit den Geschlechtschromosomen 45,X und Varianten
Klinefelter-Syndrom mit den Geschlechtschromosomen 47,XXY und Varianten
Triple-X-Syndrom mit den Geschlechtschromosomen 47,XXX oder Poly-X-Syndrome

2. Gonadendysgenesie, d. h. Fehlbildungen der Keimdrüsen (Hoden oder Eierstöcke)

3. Angeborene Störungen der körpereigenen Synthese oder Wirkung von Sexualhormonen

4. Missbildungen der Genitalien

Dem Begriff „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ sind folgende ICD-10-Diagnosen zugeordnet:
E 28 Ovarielle Dysfunktion
E 29 Testikuläre Dysfunktion
Q 50 Angeborene Fehlbildungen der Ovarien, der Tubae uterinae und der Ligg. lata uteri
Q 53 Nondescensus testis
Q 55 Sonstige angeborene Fehlbildungen der männlichen Genitalorgane
Q 56 Unbestimmtes Geschlecht und Pseudohermaphroditismus
Q 96 Turner-Syndrom
Q 97 Sonstige Anomalien der Gonosomen bei weiblichem Phänotyp, anderenorts nicht klassifiziert
Q 98 Sonstige Anomalien der Gonosomen bei männlichem Phänotyp, anderenorts nicht klassifiziert
Q 99 Sonstige Chromosomenanomalien, anderenorts nicht klassifiziert
Andere Diagnosen fallen nicht unter den Begriff „Varianten der Geschlechtsentwicklung“. Es gibt aber durchaus medizinische Erkrankungen, bei denen ein hormonelles Ungleichgewicht besteht, ohne dass sie zu den Varianten der Geschlechtsentwicklung gezählt werden.

Bedeutet im Klartext: Von trans* ist hier definitiv nicht die Rede. Ein Arzt macht sich also – wenn er so ein Attest ausstellt – tatsächlich strafbar. Auch wenn der Jurist vom LSVD das abwiegelt und beschönigt. Im Prinzip ist es so wie der Qualitätszirkel sagt: Nicht Herr Bruns muss dann seinen Kopf hinhalten, sondern der Arzt, welcher das Attest ausgestellt hat! Daher ist es verständlich, dass Ärzte, die sich mit der Thematik etwas mehr auseinandergesetzt haben, das NICHT machen. Niemand setzt seinen Beruf für ein „falsches“ Attest aufs Spiel. Diejenigen Ärzte, die das machen ist vielleicht die Tragweite nicht ganz bewusst, bzw. haben sie wahrscheinlich einfach zu wenig Ahnung von der ganzen Thematik.

Welche Probleme können auf jemanden zukommen der seinen Vornamen und Personenstand nun schon nach dem „neuen“ Verfahren geändert hat? Was meint denn der LSVD dazu der in diesen Fragen sicher von Hr. Bruns beraten wurde? Was ist zum Beispiel, wenn man in der Arbeit Probleme wegen Outing bekommt und man möchte dann mit dem § 5 TSG „Offenbarungsverbot“ dieses Outing unterbinden? Oder wenn ich meine Zeugnisse jetzt ändern lassen möchte?

Der LSVD schreibt dazu folgendes:
Die Folgeprobleme sind leider noch nicht geregelt. Das gilt insbesondere für das Offenbarungsverbot des § 5 TSG. Es knüpft an die Entscheidung des Gerichts nach dem TSG an und ist deshalb nicht ohne weiteres auf Trans*menschen übertragbar, die ihr rechtliches Geschlecht und ihre Vornamen nach § 45b PStG haben ändern lassen.

Es steht aber den Betroffenen frei, nach der Änderung ihrer Vornamen und ihres rechtlichen Geschlechts die neue Geburtsurkunde bei den Stellen vorzulegen, die die Zeugnisse und ähnliche Urkunden ändern müssen. Wahrscheinlich werden diese nicht nachfragen, auf welchem Weg die Betroffenen die Änderung ihrer Vornamen und ihres rechtlichen Geschlechts erreicht haben, sondern das tun, wozu sie aufgrund der Rechtsprechung zu § 5 TSG verpflichtet sind.

Die Betroffenen können die Stellen, die die Zeugnisse oder ähnliche Urkunden ändern sollen, unbedenklich darauf hinweisen, dass sie nach der Rechtsprechung zur Änderung verpflichtet sind, wenn Trans*menschen ihre Vornamen und ihr Geschlecht haben ändern lassen. Dass diese Rechtsprechung auf ihren Fall nicht ganz passt, brauchen sie nicht zu offenbaren.

Bedeutet also: „Du weißt, dass du nicht so ganz den offiziellen Weg gegangen bist, aber das musst du ja nicht sagen“ … ahja

Und wenn nun ein Chef genauer nachfragt? Genauer hinterfragt? Sich vielleicht schlau gemacht hat? Was genau soll man dann sagen? Als Nicht-Juristen dürfte einem dann die Argumentation ziemlich schwerfallen. Vor lauter Angst, dass man sich nun doch irgendwie verraten könnte werden sich wahrscheinlich die Meisten tatsächlich verhaspeln…. und dann?

Wie ist es nun mit den Operationen? Was erwartet uns dann da in Zukunft?

Der LSVD schreibt dazu folgendes:
Die Änderung des rechtlichen Geschlechts von transgeschlechtlichen Menschen ist nicht mehr davon abhängig, dass sie sich einem ihre äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff unterzogen haben, durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden ist und der sie dauernd fortpflanzungsunfähig gemacht hat (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG alter Fassung).

Gleichwohl sind geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen für die weit überwiegende Mehrheit der Trans*-Personen zwingende Voraussetzung für ihr Wohlbefinden und ihre mentale Gesundheit. Deshalb hat das Bundessozialgericht schon 1987 entschieden (siehe unsere Rechtsprechungsliste), dass die gesetzliche Krankenversicherung eine geschlechtsangleichende Operation bezahlen muss, wenn eine Trans*-Person unter einem schweren Leidensdruck und unter extrem hoher Selbstmordgefahr steht und die geschlechtsangleichende Operation das einzige Mittel ist, um eine Linderung herbeizuführen. Voraussetzung ist also, dass “psychiatrische und psychotherapeutische Mittel das Spannungsverhältnis zwischen dem körperlichen Geschlecht und der seelischen Identifizierung mit dem anderen Geschlecht nicht zu lindern oder zu beseitigen vermögen”, mit anderen Worten, der „Leidensdruck“ muss so groß sein, dass von psychotherapeutische Therapien keine Abhilfe zu erwarten ist.

Damit die gesetzlichen Krankenkassen in solchen Fällen die geschlechtsangleichenden Operationen und sonstige Eingriffe und Maßnahmen bezahlen, müssen zwei Voraussetzungen gegeben sein:

Es muss feststehen, das bei den Betroffenen “Transsexualismus” vorliegt, also der Diagnoseschlüssel F64.0 des ICD-10-GM in der Version 2019. Das war bisher kein Problem, wenn die Vornamen und das rechtliche Geschlecht aufgrund eines Verfahrens vor dem Amtsgericht geändert worden waren. Wie die gesetzlichen Krankenkassen verfahren werden, wenn Trans*menschen ihre Vornamen und ihr rechtliches Geschlecht nach § 45b PStG ändern lassen, ist noch nicht bekannt. Es kann sein, dass sie sich mit der geänderten Geburtsurkunde zufriedengeben. Wahrscheinlicher ist es, dass sie auf der Vorlage eines ärztlichen Attestes mit der Diagnose “Transsexualismus” bestehen. Für die Betroffenen dürfte es nicht schwierig sein, sich ein Attest mit der Diagnose “Transsexualismus” zu beschaffen.

Hinsichtlich der zweiten Voraussetzung, dass der “Leidensdruck” der Antragsteller*innen unter ihrem “falschen” Körper so groß ist, dass eine Psychotherapie nicht ausreicht, um den Leidensdruck zu beheben; konnten die gesetzlichen Krankenkassen bisher oft auf die beiden Gutachten zurückgreifen, die vom Amtsgericht in dem Verfahren nach dem Transsexuellengesetz eingeholt worden waren. Das ist nicht mehr möglich, wenn das rechtliche Geschlecht nach § 45b PStG geändert worden ist. Dann muss der medizinische Dienst der gesetzlichen Krankenkassen diese Frage prüfen und beurteilen. Ob er das mit seinem eigenen Personal tut oder ob er damit einen externen Gutachter beauftragt, ist seine Sache. Die Betroffenen brauchen jedenfalls die Gutachten nicht zu bezahlen.

Dasselbe gilt für die Beihilfe.

Ob die Privaten Krankenversicherungen geschlechtsangleichende Operationen und sonstige Eingriffe und Maßnahmen bezahlen müssen, hängt zunächst davon ab, was darüber in den Versicherungsbedingungen steht. Wenn doch die Leistungspflicht der Privaten Krankenversicherungen nicht ausgeschlossen ist, werden die Versicherungen wohl verlangen können, dass die Betroffenen den behaupteten starken Leidensdruck durch ein ärztliches Attest belegen. Wenn das den Krankenversicherungen nicht genügt, ist es ihre Sache, ein “Gegengutachten” einzuholen. Dazu gibt es aber noch keine gerichtlichen Entscheidungen, weil die Möglichkeit der Antragstellung nach § 45b PStG noch sehr neu ist.

Dieselben Grundsätze gelten für:

  • Operationen zur Brustvergrößerung,
  • Operationen zur Glättung allzu männlich wirkender Gesichtszüge,
  • für die Barthaarentfernung durch Laserepilation oder durch Nadelepilation bei Versagen der Laserepilation,
  • den Penoidaufbau (Phallo-Plastik),
  • die stimmangleichende Behandlung einschließlich einer Stimmbandoperation und
  • die Korrektur des Adamsapfels.

Siehe zu diesen Operationen die in unserer Rechtsprechungsliste zusammengestellten einschlägigen Urteile des Bundessozialgerichts, der Landessozialgerichte und der Sozialgerichte.

In diesen Fällen kommt transgeschlechtlichen Menschen nicht selten § 13 Abs. 3a SGB V zugute, der 2013 in das Gesetz eingefügt worden ist.

Danach müssen die gesetzlichen Krankenkassen über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Können die Krankenkasse diese Fristen nicht einhalten, müssen sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mitteilen. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt.

Der Anspruch ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen auf Freistellung von der Zahlungspflicht gerichtet, wenn die fingierte Genehmigung eine Leistung betrifft, die nicht als Naturalleistung erbracht werden kann. Das heißt, die Antragsteller*innen können die Leistung kraft fingierter Genehmigung verlangen, ohne sie sich erst auf eigene Kosten beschaffen zu müssen.
Ein Widerruf der Genehmigung nach § 45 SGB X kommt in der Regel nicht in Betracht, weil die Leistung als Folge der fingierten Genehmigung nicht rechtswidrig ist, siehe zu diesen Problemen die Urteile des Bundessozialgerichts vom 07.11.2027 in unserer Rechtsprechungsliste.

Auch hier geht der TransMann e.V. mit einigen Aussagen NICHT konform. Wo hakt es?

Diagnose F.64.0 – man braucht die Vorlage der Diagnose Transsexualismus. DAS dürfte allerdings nun, nach Ausstellung des Attests „Variante der Geschlechtsentwicklung“ schwierig werden. Denn entweder oder! Wenn nun doch plötzlich ein Attest mit der Diagnose Trans ausgestellt werden soll dann hätte die Vornames- und Personenstandänderung auch nach dem TSG erfolgen müssen. Ergo – eines der Atteste ist somit falsch.

Wir haben keine Ahnung welchen Strick die Krankenkassen bereit sind daraus zu drehen, um unsere Kosten nicht bezahlen zu müssen.

Sollte man das Glück haben, dass an dieser Stelle das Ganze noch nicht aufgeflogen ist wollen wir anmerken, dass so ein Attest auch nicht kostenlos ist. Die Ärzte verlangen dafür Geld. Wie viel kann man nicht genau sagen da das variiert.

Zweitens braucht man nun auch noch ein Gutachten, welches den Leidensdruck bestätigt. Die Krankenkassen arbeiten im Moment noch nach den Vorgaben der MDS Richtlinien. Also werden sie Gutachten verlangen. Bisher haben sie immer die Gutachten der VÄ/PÄ verlangt. Und dann haben sie in den meisten Fällen festgestellt, dass diese nicht reichen, weil in denen nämlich auch nicht der Leidensdruck festgehalten ist. Außer, es war jemand so schlau und hat das Gutachten gleich so schreiben lassen, dass es auch als Indikationsgutachten gilt. DAS ist nämlich ein Unterschied, den auch der LSVD hier außer Acht gelassen hat.

Wenn man sich nun als Betroffener weigert selbst so ein Gutachten zu erbringen (was natürlich wieder Geld kostet), dann wird die Krankenkasse natürlich selbst ein Gutachten erstellen lassen. Von einem hausinternen Gutachter der in den meisten Fällen keine Ahnung vom Thema trans* hat. Und wie diese Gutachten dann aussehen könnt ihr euch sicher vorstellen. Eine lang ersehnte OP bekommt man damit sicher nicht, denn die Kassen wollen natürlich auch da wieder Geld sparen.

Um also ein positives Gutachten zu bekommen mit welchem man eine etwas realistischere Chance hat die OP durchführen zu lassen, wird man dieses wohl bei einem Gutachter machen lassen müssen, welcher Ahnung hat vom Thema. Und – natürlich – bezahlt man dieses auch selbst! Also nicht wirklich Geld gespart, viel Ärger und immer noch keine OP…

Die OPs die vom LSVD hier im Übrigen aufgelistet sind, sind bis auf den Penoidaufbau, Operationen die von Mann-zu-Frau trans* Personen bis jetzt noch selbst zu bezahlen sind, bzw. bis jetzt nur mit großem Kampf von den Kassen übernommen werden. Die Kasse zählt diese OPs im Moment noch zu den Schönheitsoperationen. Warum der LSVD hier den Penoidaufbau mit einbaut, kann der TransMann e.V. nicht nachvollziehen. Abgesehen davon, dass die Bezeichnung Phallo-Plastik auch nicht ganz richtig ist… aber darum geht es jetzt nicht.

Was stellt der TransMann e.V. also zum momentanen Zeitpunkt fest?

Es wird viel Werbung gemacht für diese Variante der Änderung des Vornamens und Personenstandes. Aber wie es dann später weiter geht, welche Probleme man haben kann oder was auf diejenigen noch zukommt die das schon gemacht haben….

DAS weiß niemand wirklich!

Darum wird der TransMann e.V. dafür keine „Werbung“ machen. Wir werden aber verfolgen, wie es weiter geht mit den Personen, die es haben machen lassen. Und natürlich werden wir alles unterstützen, dass die Vornamens- und Personenstandsänderung ein einfacher Verwaltungsakt wird und dass das TSG dahingehend endlich reformiert wird.

Uns war einfach mal wichtig, dass wir euch unsere Bedenken mitteilen und euch unseren Standpunkt kundtun.

Euer Vorstand

Merkblatt Varianten der Geschlechtsentwicklung (PDF-Datei, 145kB)

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