Intersex

Hier findet ihr wichtige Informationen rund um Inter*

Folgende Punkte haben wir hier einmal zusammengestellt:

All diese Informationen sind auch in unserem Infoheft Nr. 14 “Intersexualität” zu finden. Dieses Heft steht als PDF-Datei zum Download bereit.

Definition Intersexualität

Der Begriff Intersexualität ist, genau wie “Transsexualität”, potentiell irreführend. Viele denken bei der Endung “-sexualität” sofort an sexuelle Orientierung und glauben, “Intersexualität” und “Transsexualität” beziehen sich auf die sexuelle Orientierung einer Person, wie “Hetero-” und “Homosexualität”. In beiden Fällen ist diese Assoziation falsch.

Um das zu vermeiden, verwendet man heute an Stelle von “Transsexualität” oft den Begriff “Transidentität”, das englische Wort “Transgender” oder die neutrale Bezeichnung “Trans*”, bei der das Sternchen für alle anderen möglichen Wortendungen stehen kann. Genauso kann man anstelle von “Intersexualität” den Begriff “Inter*” benutzen.

Auf einem Ärztekongress, der 2005 in den USA stattfand, wurde die Bezeichnung DSD geprägt. Dies ist die Abkürzung für “Disorders of sex development”, also jegliche Störung in der geschlechtlichen Entwicklung eines ungeborenen Kindes. Das Wort “Sex” bedeutet im Englischen “Geschlecht” im biologisch-medizinischen Sinn. DSD bedeutet, dass sich ein Kind nicht zu einem biologisch eindeutigen Jungen oder Mädchen entwickelt. Nicht gemeint sind hiermit sexuelle Orientierung oder sexuelle Vorlieben einer Person.

Es gibt zwei Arten von Menschen, männliche und weibliche. Zumindest glauben das viele von uns zu wissen. Die Realität sieht anders aus. Tatsächlich gibt es bei uns Menschen, genauso wie bei allen anderen Säugetieren, neben männlichen und weiblichen Lebewesen auch verschiedene Mischformen.

Inter* ist aber nicht einfach eine genau definierte dritte Variante. Die Spielarten sind vielfältig. Die Wissenschaft kennt heute bis zu 4.000 körperlich unterscheidbare Varianten zwischen Mann und Frau. Zahlreiche Arten von Intersexualität können sich überschneiden.

Inter* bedeutet auf jeden Fall, dass die betreffende Person nicht eindeutig dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugeordnet werden kann, also “zwischen den Geschlechtern” steht. ¹
Man nimmt an, dass auf fünfzig Geburten von eindeutig weiblichen oder männlichen Kindern, eine Geburt eines in irgendeiner Form intersexuellen Kindes kommt.

¹ Das Wort “inter” kommt aus dem Lateinischen und bedeutet “zwischen”.

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Inter* oder Trans* ?

Laut Satzung wendet sich der Verein TransMann e.V. an alle Menschen, die sich entgegen ihrem Geschlechtseintrag als Mann empfinden. Dies können sowohl Transidente als auch intersexuelle Personen sein.

Trans* bedeutet in der Regel, dass eine Person die z.B. biologisch eindeutig weiblich ist, sich selbst als männlich empfindet, also das Gefühl hat, ein Mann zu sein der im Körper einer Frau gefangen ist. Die Diagnose Trans* kann nur von einem Psychiater oder Psychologen gestellt werden. Es gibt keine Laboruntersuchungen die eindeutig belegen, dass jemand trans* ist.

Das Vorliegen von Inter* dagegen lässt sich mit Hilfe eines Chromosomentests, gynäkologischen und/oder andrologischen² Untersuchungen oder an Hand von Laborwerten diagnostizieren.

Zusätzlich kann eine Person, bei der Intersexualität festgestellt wurde, das Gefühl haben im falschen Körper zu stecken. Hier kann es, zumindest theoretisch, zu Überschneidungen von trans* und inter* kommen.

Trans* eine biologische Frau mit männlicher Identität
ein biologischer Mann mit weiblicher Identität

Inter*

eine Person die biologisch nicht eindeutig männlich oder weiblich ist

²Andrologie = Männerheilkunde

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Unterschiedliche Arten von Intersex*

Ist ein Lebewesen sowohl männlich als auch weiblich oder nicht eindeutig männlich oder weiblich, spricht man von Hermaphroditismus. Das Wort “Hermaphrodit” kommt aus dem altgriechischen und setzt sich zusammen aus den Namen des griechischen Gottes “Hermes” und der griechischen Göttin “Aphrodite”. Das deutsche Wort für “Hermaphrodit” lautet “Zwitter”.

Hermaphroditismus bedeutet in der Biologe “Zweigeschlechtlichkeit”. Gemeint sind hier eigentlich Arten, bei denen jedes Individuum sowohl männliche als auch weibliche Keimdrüsen hat. Tritt ein solches Phänomen bei einer Art auf in der es – wie z.B. bei Menschen und Säugetieren – zwei getrennte Geschlechter gibt, spricht man korrekterweise von Pseudohermaphroditismus oder (beim Menschen) von Intersexualität. Die Betreffenden werden in der Medizin als Hermaphroditen bezeichnet, im Volksmund oft als Zwitter.

Ein Hermaphroditus verus oder echter Zwitter liegt vor, wenn der Betreffende sowohl männliche als auch weibliche äußere und innere Geschlechtsmerkmale hat. Echte Zwitter können sich nicht selbst befruchten. Es sind zwar Hoden vorhanden, diese produzieren aber in der Regel keine Spermien. Nur in seltenen Fällen haben echte Zwitter Kinder gezeugt. Echte Zwitter die Kinder geboren haben sind wesentlich häufiger. Die meisten Betreffenden wurden bisher im Kleinkindalter operiert und damit einem der beiden Geschlechter zugewiesen.

Die Medizin zählt diese Syndrome meist zum Komplex Intersexualität.
Bei sogenannten Scheinzwittern liegen Störungen vor, die zu Fehlentwicklungen im geschlechtlichen Bereich führen.

  • Weiblicher Scheinzwitter:
    Östrogenmangel und gleichzeitig erhöhte Testosteronproduktion lassen biologische Frauen leicht vermännlichen.
  • Männlicher Scheinzwitter:
    Auf Grund von Störungen bei der Bildung von Testosteron fehlt der vermännlichende Einfluss im Embryonalstadium.
    Die Betreffenden werden fälschlicherweise als weiblich eingestuft. Das ebenfalls im Hoden gebildete Estradiol führt in der Pubertät zu Brustwachstum. Andererseits kann in der Pubertät auch eine leichte Vermännlichung auftreten.

Normalerweise offenbart ein Gentest das Geschlecht: XX bedeutet weiblich, XY männlich.

  • Klinefelter-Syndrom (XXY):

    Hier ist ein zusätzliches X-Chromosom vorhanden, also ein XXY-Chromosomensatz. Da dieses Phänomen zum ersten Mal 1942 von Harry F. Klinefelter wissenschaftlich beschrieben wurde, spricht man vom Klinefelter-Syndrom.

    Die Betreffenden sehen äußerlich wie Jungen aus, die sich zunächst völlig unauffällig entwickeln. Erst in der Mitte der Pubertät werden die Hoden plötzlich wieder kleiner. Die Testosteronproduktion ist zu gering und es werden keine Spermien produziert. Personen mit Klinefelter-Syndrom sind normalerweise unfruchtbar, in ihrem Sexualleben aber ansonsten nicht beeinträchtigt. In der späten Pubertät kann plötzlich eine weibliche Brust wachsen, der Körperbau insgesamt wird femininer und der Bartwuchs geht zurück.

    Wird das Klinefelter-Syndrom frühzeitig festgestellt, werden die Betreffenden mit Hormonpräparaten behandelt, die den Bartwuchs anregen, den Stimmbruch einleiten und eine Verweiblichung verhindern.

    Bei zehn Prozent der Betroffenen wird das Klinefelter-Syndrom bereits im Mutterleib diagnostiziert. Bei weiteren 26 Prozent wird die Diagnose irgendwann im Laufe ihres Lebens gestellt. Man geht jedoch davon aus, dass 64 Prozent der Menschen mit Klinefelter-Syndrom unentdeckt bleiben.

    Informationen über das gefühlte Geschlecht, also die Geschlechtsidentität von Klinefelter-Patienten liegen leider nicht vor. In der Literatur findet sich lediglich der Hinweis, dass das Klinefelter-Syndrom bei transidenten Patienten nur sehr selten nachgewiesen werden kann.

  • Andere chromosomale Abweichungen:

    Teilweise findet sich die Definition, jegliche Abweichung von XX oder XY-Chromosomensatz sei eine Form von Intersexualität. Dies trifft so nicht zu. Deshalb an dieser Stelle – der Vollständigkeit halber – ein paar andere Beispiele für chromosomale Abweichungen die nichts mit Intersexualität zu tun haben, also im Falle von trans* auch nicht als Ausschlussdiagnose gewertet werden können.

    • Turner-Syndrom (X)

      Patientinnen mit Turner-Syndrom sind biologisch eindeutig weiblich. 98 Prozent der Betreffenden kommen nicht lebend zur Welt. Die restlichen zwei Prozent sind unfruchtbar. Die Eierstöcke haben keine Follikel, also auch keine Eier und können deshalb kein Östrogen produzieren.

      Die Pubertät setzt nicht von selbst ein. Deshalb werden die Betreffenden mit weiblichen Hormonen behandelt. Die Hormonbehandlung führt auch zum Einsetzen der Monatsblutung. Turner-Syndrom-Patientinnen sind außerdem meist kleinwüchsig. Wird die Diagnose früh genug gestellt, kann man versuchen dem durch eine Behandlung mit Wachstumshormonen entgegen zu wirken. Die Lebenserwartung entspricht dem Bevölkerungsdurchschnitt.

    • Triple-X-Syndrom (XXX)

      Auch Patientinnen mit Triple-X-Syndrom sind biologisch eindeutig weiblich. Bei zwei Drittel der Betreffenden sind die Symptome völlig unauffällig. Deshalb bleibt es vermutlich oft unentdeckt.

      Die Betroffenen können überdurchschnittlich groß sein. Ihre Eierstöcke produzieren zu wenig Hormone und sie kommen verfrüht in die Wechseljahre. Die Fruchtbarkeit ist geringer, aber es liegt keine dauerhafte Unfruchtbarkeit vor. Interessanterweise haben die männlichen Nachkommen von Frauen mit Triple-X-Syndrom oft das Klinefelter-Syndrom.

    • Jacobs-Syndrom (XYY)

      Patienten mit Jacobs-Syndrom sind biologisch eindeutig männlich. Neben dem Chromosomensatz XYY gibt es auch Patienten mit XXYY oder sogar XXXXXXYY.

      Die Betreffenden können überdurchschnittlich groß sein und untervermehrter Akne bis ins Erwachsenenalter leiden. Der Testosteronspiegel kann erhöht sein. Lebenserwartung und Fruchtbarkeit sind nicht eingeschränkt.

      Gerüchte, die Betreffenden seien unterdurchschnittlich intelligent und würden zu Gewaltverbrechen neigen, sind Unsinn und nur das Ergebnis nicht repräsentativer Untersuchungen.

Auch bei Menschen mit normalem XX- oder XY-Chromosomensatz können Abweichungen von der geschlechtlichen Norm auftreten. Zum besseren Verständnis hier zunächst eine kurze Beschreibung der normalen geschlechtlichen Entwicklung eines Embryos.

  • Normale Entwicklung

    Aus genetischer Sicht unterscheiden sich Frauen und Männer nur sehr geringfügig. Während der ersten sechs Wochen einer Schwangerschaft entwickelt sich der Embryo unabhängig davon, ob er mit Chromosomensatz XX oder XY ausgestattet ist. Das Kind ist sozusagen noch geschlechtsneutral. Im Schritt hat es während dieser Zeit nur einen sogenannten Geschlechtshöcker, der sich dann später – je nach Geschlecht – zu Klitoris oder Penis entwickelt. Die Keimdrüsen werden später zu Eierstöcken oder Hoden.

    Abhängig vom Chromosomensatz des Embryos werden nun Hormone produziert die dann wiederum die Entwicklung zum Mädchen oder Jungen auslösen.

  • Ursachen für Abweichungen

    Kommt es irgendwann in der nun folgenden Phase der Schwangerschaft zu einer Störung in der geschlechtlichen Entwicklung, ist das Kind intersexuell. Neben den bereits beschriebenen chromosomalen Abweichungen, können verschiedenste Ausprägungen körperlicher Abweich-ungen von der Norm auftreten. Diese Abweichungen können, müssen aber nicht auf den ersten Blick erkennbar sein. Viele Abweichungen werden erst in der Pubertät, im Erwachsenenalter oder auch gar nicht diagnostiziert.

    Es gibt keine Hinweise darauf, dass das Verhalten der Eltern vor oder während der Schwangerschaft Ursache einer solchen Entwicklung sein könnte.

  • Beispiele für körperliche Abweichungen
    • XX-Mann / XX-male-Syndrom

      Ein XX-Mann hat den weiblichen Chromosomensatz XX, ist also biologisch eine Frau, sieht aber äußerlich aus wie ein Mann. Die Symptome ähneln denen des Klinefelter-Syndroms, ausgenommen die oft überdurchschnittliche Größe der Klinefelter-Patienten. Das Klinefelter-Syndrom kommt allerdings zehnmal häufiger vor.

      Die Ursachen für das XX-Mann-Syndrom sind nicht ausreichend wissenschaftlich geklärt. Eine Diagnose wird meistens erst gestellt, wenn ein XX-Mann eine Fruchtbarkeitsuntersuchung durchführen lässt.

      XX-Männer produzieren keine Spermien, sind also unfruchtbar. Diese Unfruchtbarkeit ist nicht behandelbar. Lediglich den häufig vorliegenden Testosteronmangel kann man durch Gabe entsprechender Präparate ausgleichen. Erkenntnisse über das Auftreten von trans* bei XX-Männern liegen uns leider nicht vor.

    • XY-Frau

      Unter dem Oberbegriff XY-Frau werden verschiedene Syndrome zusammengefasst. Eine XY-Frau hat den männlichen Chromosomensatz XY, ist also biologisch ein Mann, sieht aber äußerlich wie eine Frau aus. Ursache ist eine teilweise oder völlige Testosteronblockade. Ohne Testosteron läuft in der embryonalen Entwicklung das weibliche Basisprogramm ab. Die Folge ist, dass das betreffende Kind bei der Geburt äußerlich wie ein völlig normales Mädchen aussieht.

      Die soziale Geschlechtsentwicklung kann bis zur Pubertät – evtl. sogar darüber hinaus – völlig unauffällig, also wie bei einem normalen Mädchen verlaufen. Eine XY-Frau die sich als Frau fühlt wird in der Regel nur entdeckt, wenn sie sich wegen unerfüllten Kinderwunsches behandeln lassen möchte.

      Empfinden sich die Betreffenden als Jungen, bzw. Männer, wird oft zunächst trans* vermutet. Es kann auch vorkommen, dass sich Betreffende keinem Geschlecht zuordnen wollen.

      Die Vagina kann bei XY-Frauen verkürzt sein, was wiederum zu Problemen beim Geschlechtsverkehr führen kann. Falls gewünscht, kann – ähnlich wie bei einer Transfrau – eine Neovagina angelegt werden.

      Ebenso wie bei XX-Männern liegen keine Erkenntnisse über die Häufigkeit des Auftretens bei trans* vor.

    • Swyer-Syndrom

      Beim Swyer-Syndrom handelt es sich um eine Fehlbildung der Keimdrüsen. Ursache ist eine Mutation auf dem Y-Chromosom.

      Rein äußerlich erscheinen die Betroffenen weiblich. Während der ersten sechs Schwangerschaftswochen entwickeln sich die Embryonen völlig normal. Wegen eines genetischen Defekts können keine funktionierenden Hoden gebildet werden. Hierdurch werden keine männlichen Hormone produziert und die weitere Entwicklung zum Mann wird unterbrochen. Deshalb läuft nun das “Basisprogramm Frau” ab und das Kind entwickelt sich fortan wie ein Mädchen.

      Es entstehen Klitoris, Schamlippen, Vagina und sogar eine Gebärmutter, jedoch keine Eierstöcke. Bis zur Pubertät entwickeln sich die Betreffenden meist wie normale Mädchen. Erst dann treten Probleme wegen der fehlenden Eierstöcke auf. Die Regelblutung bleibt aus. Es entwickeln sich keine sekundären/äußeren, weiblichen Geschlechtsmerk-male. Der Hormonmangel kann eine Osteoporose-Neigung verursachen. Die im Bauchraum noch vorhandenen, verkümmerten Hoden entwickeln häufig bereits im Kindesalter bösartige Tumore, weswegen Ärzte dazu raten sie zu entfernen.

      Eine Behandlung mit weiblichen Hormonen bekämpft die Gefahr einer Osteoporose, führt die Entwicklung sekundärer, weiblicher Geschlechtsmerkmale herbei und kann sogar einen regelmäßigen Monatszyklus auslösen. Wegen der fehlenden Eierstöcke bleiben die Betreffenden jedoch unfruchtbar.

    • Androgenresistenz

      Alle Betreffenden sind biologisch männlich. Sie bilden auch männliche Hormone, diese können aber wegen einer Mutation des Erbguts nicht wirken. Es gibt drei Stufen von Androgenresistenz:

      • Minimale Androgenresistenz (MAIS3) – oder Syndrom des unfruchtbaren Mannes

        Patienten mit MAIS sehen normal männlich aus und haben meist lediglich verminderten Bartwuchs und nur schwach ausgeprägte Körperbehaarung. Manche leiden auch unter vergrößerten Brüsten. Liegt Kinderwunsch vor, kann dieser durch künstliche Befruchtung der Partnerin erfüllt werden.

      • Partielle Androgenresistenz (PAIS4) – oder Reifenstein-Syndrom

        Bei PAIS reichen die Symptome von vergrößerten Brüsten über Fehlstellungen von Harnröhre und/oder Hoden bis zum Mikropenis.

      • Komplette Androgenresistenz (CAIS5) – oder Goldberg-Maxwell-Morris-Syndrom

        CAIS wird auch als testikuläre Feminisierung bezeichnet, weil in dieser stärksten Ausprägung der Androgenresistenz der Penis gar nicht erst gebildet wird. Die Betreffenden werden bei der Geburt für Mädchen gehalten. Setzt im Pubertätsalter keine Monatsblutung ein, werden bei Untersuchungen meist eine verkürzte Scheide sowie das Fehlen von Gebärmutter und Eierstöcken festgestellt. Dafür sind in der Regel Hoden vorhanden, die aber, wie bei der PAIS, nicht an der richtigen Stelle sondern im Bauchraum sitzen.

        Wegen des Krebsrisikos wird von medizinischer Seite die Entfernung der Hoden spätestens nach der Pubertät empfohlen. Um als Frau weiterleben zu können, ist eine Hormontherapie notwendig.

        In der medizinischen Literatur heißt es, die Patientinnen würden sich als Frau empfinden und seien ja auch so erzogen worden. Deshalb wäre es strittig, ob man sie über ihren Zustand überhaupt aufklären solle.

        Das Recht auf Wahrheitsfindung der Betreffenden einerseits und andererseits die Gefahr eine schwere Identitätskrise auszulösen, wenn diese erfahren genetisch “eigentlich ein Mann zu sein”, stünden in problematischem Zusammenhang.

        Auf solche Empfehlungen gestützt entscheiden behandelnde Ärzte ggf. ohne genauere Abwägung, den betreffenden Personen diese Diagnose gar nicht erst mitzuteilen.

        Eine Einstellung, die den Patienten die Möglichkeit nimmt mitzuentscheiden. Schließlich geht es hier nicht ausschließlich um Personen, die aufgrund eines unerfüllten Kinderwunsches zu den Fachärzten kommen (bei denen man also vermuten kann, dass sie sich auch als Frau empfinden).

        Die Entscheidung des behandelnden Arztes, eine solche Diagnose für sich zu behalten und ohne weitere Erklärung Hormone zu verschreiben, ist sicherlich nicht weniger fragwürdig, als den Betreffenden mit dem Risiko einer Traumatisierung umfassend aufzuklären. Vielleicht fühlt sich der betreffende Person ja insgeheim als Mann, hat sich nur noch nie getraut darüber zu sprechen. Bevor mit Behandlungen, die irreversible Auswirkungen haben, begonnen wird, wäre es daher sinnvoll eine psychologische und/oder medizinische Zweitmeinung einzuholen.

        Wie viele XY-Frauen sich weiblich, wie viele sich männlich oder weder weiblich noch männlich fühlen, ist leider nicht bekannt.

3Abkürzung für den englischen Begriff “Mild Androgen Insensitivity Syndrome”

4Abkürzung für den englischen Begriff “Partial Androgen Insensitivity Syndrome”

5Abkürzung für den englischen Begriff “Complete Androgen Insensitivity Syndrome”

Grundsätzlich haben auch Männer weibliche und Frauen männliche Hormone im Blut, allerdings in sehr geringen Mengen.

Von hormonellen Abweichungen spricht man, wenn der Spiegel von Geschlechtshormonen oder ihren Vorläufern nicht der Norm des eigenen Geschlechts entspricht. Sind diese Mengen stark erhöht, evtl. so stark dass sie den üblichen Mengen des jeweils anderen Geschlechts entsprechen, kann das einen Krankheitswert erreichen.

So können z.B. Frauen mit stark erhöhtem Testosteronspiegel beispielsweise unter männlichem Bartwuchs und sehr starker Körperbehaarung leiden (Hirsutismus). Männern mit erhöhten weiblichen Hormonwerten können Brüste wachsen (Gynäkomastie).

Die Grenzen zwischen Intersexualität und bloßen Hormonstörungen sind fließend.

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Die juristische Situation

Das TSG regelt seit 1981 unter welchen Voraussetzungen und auf welche Weise transidente Menschen ihren Vornamen und ihren Personenstand ändern können. Ein Intersexuellengesetz gibt es bislang nicht.

Kam im alten Preußen ein Kind mit nicht eindeutigen Geschlechtsmerkmalen zu Welt, entschieden zunächst die Eltern, welches Geschlecht das Kind haben sollte. Das 1794 in Kraft getretene allgemeine preußische Landrecht bestimmte jedoch, dass die Betreffenden diese Entscheidung ändern konnten, sobald sie 18 Jahre alt wurden. Die Entscheidung des Betreffenden war dann bindend und galt in allen Lebensbereichen. Wer sich beispielsweise dafür entschied als Mann zu leben, musste dann auch Militärdienst leisten.

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit fortschreitendem medizinischem Wissen glaubten immer mehr Ärzte zweifelsfrei bestimmen zu können, welches Geschlecht eine Person tatsächlich hat. Der Wille der Eltern, und erst recht der Betreffenden, spielte eine immer geringere Rolle.

Anfang des 20. Jahrhunderts begann man, Hermaphroditen als "missgebildet" einzustufen. Sie wurden teilweise öffentlich zur Schau gestellt, ihre Genitalien fotografiert.

In den 50er Jahren schließlich war die Chirurgie weit genug fortgeschritten, um erstmals Operationen an intersexuellen Kleinkindern durchzuführen. Der neuseeländisch-amerikanische Arzt und Psychiater John Money empfahl, intersexuelle Kinder spätestens ab dem zweiten Lebensjahr durch entsprechende Operationen und eine massive Hormonbehandlung einem Geschlecht zuzuweisen. Welches Geschlecht das war, hing dabei vor allem von der chirurgischen Machbarkeit, manchmal auch vom Wunsch der Eltern ab.

Meist galt die Regel, es wäre "einfacher ein Loch zu graben als einen Mast aufzurichten". Deshalb wurde die Mehrheit der intersexuellen Kinder zu Mädchen gemacht. Money vertrat darüber hinaus die Meinung, Geschlechterrollen seien ausschließlich anerzogen.

Berüchtigt wurde in diesem Zusammenhang vor allem der Fall David Reimer. Er wurde 1965 als Bruce Reimer geboren. Bei Bruce und seinem eineiigen Zwillingsbruder Brian wurde im Alter von sechs Monaten eine Vorhautverengung diagnostiziert, woraufhin beide beschnitten wurden. Bei Bruce missglückte die Operation, sein Penis wurde irreparabel verletzt. Die Eltern befolgten den Rat Moneys, ihr Kind nun "einfach als Mädchen zu erziehen".
Aus Brian wurde Brenda. Im Alter von 22 Monaten entfernte man seine Hoden und formte aus dem Hodensack eine Art Vagina. Ab dem 12. Lebensjahr wurde das Kind außerdem mit weiblichen Hormonen behandelt. Als "Brenda" mit 14 Jahren endlich erfuhr, dass er als Junge geboren worden war, weigerte er sich weiterhin als Mädchen zu leben und nannte sich fortan David. Er begann eine Testosterontherapie, ließ sich die durch die frühere Hormonbehandlung gewachsenen Brüste wieder entfernen und erhielt auch eine Art Penoidaufbau.

Obwohl aus "Brenda" trotz regelmäßiger Sitzungen bei John Money kein glückliches Mädchen geworden war, behauptete Money dies so lange, bis Reimer selbst mit der Wahrheit an die Öffentlichkeit ging. 

Auch wenn es sich im Fall David Reimer weder um inter* noch trans* handelte, zeigt er doch deutlich, dass man einem Kind kein Geschlecht anerziehen kann, dem sich das Kind selbst nicht zugehörig fühlt.

Moneys Theorie, dass sich das Identitätsgeschlecht erst im Alter von drei Jahren entwickelt und zuvor beliebig veränderbar sei, Geschlechterrollen also nur anerzogen seien, wurde in Deutschland von Alice Schwarzer aufgegriffen. In ihrem 1975 veröffentlichten Buch, "Der kleine Unterschied" führt sie Reimers Theorien als Beweis dafür an, dass Männer und Frauen im Grunde gleich und die Unterschiede nur der Erziehung geschuldet seien.

In einigen anderen Kulturkreisen6 gab es ein drittes Geschlecht, dem sowohl Intersexuelle als auch Transidente zugeordnet werden konnten. Diese nahmen oft eine Sonderstellung, z.B. als Schamanen ein. Weil sie beide Geschlechter in sich vereinten, glaubte man, sie stünden der geschlechtslosen, göttlichen Macht näher.

Ein Beispiel hierfür sind z.B. die sogenannten Two Spirits die es bei vielen alten nordamerikanischen Indianerstämmen gab. Two-Spirit bedeutet, dass zwei Seelen in einem Körper vereint sind. Bis heute haben sich in einigen Kulturen Traditionen erhalten, die einen Wechsel ins andere Geschlecht ermöglichen, bzw. sogar fördern. Grund hierfür kann z.B. ein Mangel an Personen eines Geschlechts sein.

In der polynesischen Kultur zum Beispiel, insbesondere auf Samoa, gibt es die sog. Faʻafafinen7. Sie sind biologisch männlich, leben aber in der Rolle der Frau. Hat eine Familie zu wenige Töchter, sodass die Arbeit im Haus und die Versorgung der Kinder nicht mehr gewährleistet werden kann, wird ein Junge gesucht, der fortan (freiwillig) als Faʻafafine lebt.

Faʻafafinen werden wie Mädchen erzogen, ihre Aufgaben in der Gesellschaft sind eindeutig weiblich definiert. Sie sollen die Familie unterstützen, für die Kinder sorgen, sich um den Haushalt kümmern und die Alten und Kranken der Familie versorgen. Sie werden als eigenständiges Geschlecht betrachtet und können entweder mit einem Mann, einer Frau oder eine anderen Faʻafafine in einer Partnerschaft leben, gelten aber nicht als Homosexuelle.

Ganz anders ist die Situation der thailändischen Kathoy8. Die Kathoy sind Transfrauen oder homosexuelle Männer, die in die Rolle einer Frau schlüpfen. Viele von ihnen wünschen sich geschlechtsangleichende Operationen. Weil es für sie schwierig ist in anderen Branchen eine Anstellung zu finden, arbeiten sie oft im Rotlichtmilieu.

Die Khusra in Pakistan und Indien sind Transvestiten oder Transsexuelle mit gesellschaftlich akzeptierter Rolle. Sie leben meistens in Wohngemeinschaften zusammen und dürfen sich, im Gegensatz zu biologischen Frauen, grell schminken und auffällige Kleidung tragen.
Sie werden zu Familienfeiern wie Geburtstagen und Hochzeiten eingeladen, um dort zu tanzen, was nach pakistanischer Tradition Glück bringen soll.
Sowohl Faʻafafinen als auch Kathoy und Khusra sind jedoch in der Regel nicht intersexuell sondern transident.

Anders die Chanith im Oman. Dieses umgangssprachliche arabische Wort bezeichnet entweder Transfrauen oder Intersexuelle deren körperliche Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig sind.

Ähnlich verhält es sich mit den Hijra Südasiens die als Mitglieder eines “dritten Geschlechts”, also weder als Mann noch als Frau gesehen werden. Die meisten Hijra sind Transfrauen (mit oder ohne geschlechtsangleichende Operationen), es gibt aber auch intersexuelle und biologisch weibliche Hijra.

6 U.a. bei diversen nordamerikanischen Indianerstämmen, Indien und Thailand

7Zusammengesetzt aus “faʻa” (in der Art und Weise, wie) und dem “fafine” (Frau)

8 Manchmal auch als “ladyman”, “ladyboy” oder “shemale” bezeichnet

In den durch Judentum, Christentum oder Islam geprägten Ländern wurde durch die jeweils vorherrschende Religion die Vorstellung geprägt, Gott habe einen Mann und eine Frau erschaffen. Es dürfe also nur diese beiden Geschlechter geben. Wer von der Norm abweicht, muss zwangsläufig in eine dieser beiden Kategorien einsortiert werden.

Sobald dies medizinisch möglich war (ca. in den 50er-Jahren) wurde die genaue Zuordnung durch ent-sprechende Operationen und/oder Hormontherapien unterstützt.

Auch in Deutschland muss bei Ausstellung einer Geburtsurkunde aktuell noch immer das Geschlecht des Kindes angegeben werden, wodurch intersexuelle Menschen automatisch diskriminiert werden.
Sind die Geschlechtsmerkmale des Kindes nicht eindeutig, entscheiden normalerweise Ärzte und Eltern in welchem Geschlecht das Kind leben soll. Grundlage für diese Entscheidung sind noch immer einerseits die medizinische Machbarkeit, andererseits der Wunsch der Eltern.

  • Operationen im Kleinkindalter

    Ist die Entscheidung erst einmal gefallen, können die Ärzte alles tun, um das Kind dem gewünschten Geschlecht anzupassen. So werden an Babys und Kleinkindern bereits geschlechtsangleichende Operationen durchgeführt.
    Leider fehlen aktuelle Zahlen die darüber Aufschluss geben, wie häufig solche Operationen heutzutage noch durchgeführt werden.

  • Psychologische Probleme

    Egal wie sich Eltern und Ärzte entscheiden, die Chance das “tatsächliche Geschlecht” bzw. das Identitätsgeschlecht des Kindes zu erraten, liegt bei zwei Wahlmöglichkeiten bestenfalls bei fünfzig Prozent. Also besteht umgekehrt eine fünfzigprozentige Gefahr falsch zu liegen.

    In diesem Fall steht dem betreffenden Kind ein langer, schwieriger Weg zurück ins richtige Geschlecht bevor, sobald es alt genug ist selbst zu erkennen, ob es sich als Junge oder Mädchen empfindet.

    Im schlimmsten Fall wurden funktionierende Organe schon lange vor diesem Zeitpunkt entfernt. Einem Kind, das sich als Junge empfindet, wurden vielleicht längst die Hoden entfernt. Zwar kann dieser Junge z.B. seinen Vornamen und Personenstand ändern, einen Penoidaufbau durchführen lassen, aber seine Hoden sind unwiederbringlich verloren und er wird niemals eigene Kinder zeugen können.

    Erschwerend hinzu kommt noch, dass viele Formen von Intersexualität bei der Geburt noch gar nicht erkennbar sind. Oft ist ein Gentest, zumindest aber eine genauere Untersuchung der inneren Geschlechtsorgane, nötig um festzustellen, dass Intersexualität vorliegt.

    So mancher Betroffene hat sich beispielsweise jahrelang, u.U. sogar jahrzehntelang der jährlichen Vorsorgeuntersuchung beim Gynäkologen unter-zogen, ohne dass dabei jemals die Diagnose Intersexualität gestellt wurde. Es gab schon Fälle, in denen Frauenärzte einer XY-Frau trotz Ultraschalluntersuchung das Vorhandensein normaler weiblicher Geschlechtsorgane bescheinigten, obwohl die an-geblichen Eierstöcke in Wirklichkeit verkümmerte Hoden waren.

    Im Nachhinein ist oft nicht mehr feststellbar, ob dies der mangelnden Kompetenz oder der eigenmächtigen Entscheidung der behandelnden Ärzte geschuldet ist.
    Andere Mediziner erklären den Betreffenden zwar, sie könnten nicht schwanger werden, verschweigen aber den wahren Grund für diesen Umstand. Hier herrscht sicherlich noch oft die Meinung vor, dass Patienten mit weiblichem Vornamen die als Frauen erzogen werden oder wurden, sich sicher auch als Frauen empfinden und in dieser Rolle weiterleben wollen.

Aktuell gibt es in Deutschland ein Transsexuellengesetz (TSG), auch wenn dieses durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Januar 2011 teilweise außer Kraft gesetzt wurde. Ein Intersexuellengesetz gibt es bislang nicht.

Die Geburt eines Kindes muss nach deutschem Recht innerhalb von einer Woche beim zuständigen Standesamt registriert werden. Dabei war bis 2013 u.a. das Geschlecht des Kindes anzugeben. Dies galt auch, wenn das Geschlecht des Kindes nicht eindeutig zu bestimmen war, ja sogar wenn selbst die behandelnden Ärzte sich nicht auf ein Geschlecht festlegen konnten. Interessanterweise wurde im Gesetz nicht erwähnt, welche “Geschlechter” hier zur Auswahl standen. Allerdings wurde meist davon ausgegangen, dass nur die Auswahl zwischen “männlich” und “weiblich” bestand.

Nur einige Rechtsgelehrte vertraten die Ansicht, dass genauso gut “nicht zu bestimmen” oder “intersexuell” angegeben werden konnte.

Das Geschlecht war hierbei einzig durch die äußere Erscheinung zu bestimmen! Untersuchungen der inneren Organe und/oder des Chromosomensatzes waren nicht vorgesehen. Im Zweifel sollte die Bestimmung nach den Körpermerkmalen erfolgen, die überwiegen. Am Ende lag die Entscheidung über das Geschlecht ihres Kindes bei den Eltern.

9 Dauerhafte Fortpflanzungsunfähigkeit und optische Anpassung an das Wunschgeschlecht sind nicht länger Voraussetzung für eine Personenstandsänderung, da der Operationszwang dem durch das Grundgesetz garantierten Recht auf körperliche Unversehrtheit widersprach (siehe BVerfG, NJW 2011, 909). Auch Ehelosigkeit ist nach einer anderen Entscheidung (siehe BVerfGE 121, 175) nicht mehr Voraussetzung für eine Personenstandsänderung nach TSG.

Erst 2012 nahm sich der Ethikrat des Deutschen Bundestages dieser Thematik an.

  • Der australische Weg

    Hintergrund ist die Einführung eines “dritten Geschlechts” in Australien. Dort können sowohl Intersexuelle als auch Transidente, die sich für kein Geschlecht entscheiden wollen, seit Kurzem an Stelle von M (masculine/Mann) oder F (feminine/Frau) ein O für “other” (anderes) als Geschlecht in ihren Ausweis eintragen lassen.

  • Wahlmöglichkeit

    Nun schlägt der Ethikrat dem Deutschen Bundestag vor, “dass intersexuelle Menschen anstatt “männlich” oder “weiblich” auch den Eintrag “anderes Geschlecht” wählen können”10. Einen Zwang zur Festlegung auf “männlich” oder “weiblich” wertete der Rat als einen “nicht zu rechtfertigenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und das Recht auf Gleichbehandlung”.

    Ein am 7. Mai 2013 verabschiedetes und seit 1. November 2013 geltendes Gesetz regelt diese Fälle nun neu. Allerdings folgte der Bundestag nur teilweise den Vorschlägen des Ethikrates. Künftig kann ein Kind, das weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht eindeutig zugeordnet werden kann, ohne Angabe des Geschlechts in das Geburtenregister eingetragen werden. Die Betonung liegt hier auf “kann”. Wenn es die Eltern wünschen, kann auch ein Kind mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen nach wie vor als “männlich” oder “weiblich” ins Geburtenregister eingetragen werden.

    Diese Neuregelung gilt im Übrigen ausschließlich für Neugeborene. Ältere Kinder oder sogar bereits erwachsene Menschen mit uneindeutigem Geschlecht können den von den Eltern einmal gewählten Geschlechtseintrag nicht mehr ohne weiteres löschen lassen.

    Der Ethikrat hatte vorgeschlagen, letzten Endes die Betreffenden selbst entscheiden zu lassen, ob sie sich als männlich oder weiblich empfinden oder zwischen den Geschlechtern bleiben wollen. Ein Wechsel der Kategorie im Laufe des Lebens sollte ebenfalls möglich sein. Hierzu nimmt das neue Gesetz jedoch keine Stellung.

    Auch ist nach wie vor unklar, durch wen, wann und unter welchen Voraussetzungen der vorhandene oder fehlende Geschlechtseintrag bei Intersexuellen geändert werden kann. Können nur die Betreffenden selbst eine solche Änderung beantragen? Oder können auch die Eltern später den Eintrag “männlich” oder “weiblich” vornehmen lassen? Ist hierzu ein Antrag ausreichend oder wird ein psychiatrisches Gutachten verlangt?

    Offen ist auch die Frage, wie sich die neue Regelung auf internationales Recht, beispielsweise das Passrecht, auswirkt. Personen ohne Geschlechtseintrag im Pass könnten in manchen Ländern Schwierigkeiten bekommen. Anders als in Australien, steht Transidenten in Deutschland das dritte Geschlecht übrigens als Wahlmöglichkeit generell nicht zur Verfügung.

    10 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24.02.2012, Seite 5

  • Schutzfunktion

    Ebenfalls unbeantwortet bleibt, was mit Intersexuellen geschehen soll, die noch nicht in der Lage sind für sich selbst eine Entscheidung zu treffen. Das größte Problem ist nach wie vor der Zwang zur Zuordnung unmittelbar nach der Geburt. Sollen Kinder ohne eindeutige Geschlechtsmerkmale künftig automatisch in die Kategorie “anderes Geschlecht” einsortiert werden bis sie selbst alt genug sind um zu entscheiden, in welchem Geschlecht sie leben wollen?

    Um das Kind zu schützen, sollten geschlechts-zuweisende Hormonbehandlungen und/oder Operationen solange ausgesetzt werden, bis das Kind selbst entscheiden kann, welchem Geschlecht es sich zugehörig fühlt; medizinisch notwendige, lebenserhaltende Eingriffe wären davon natürlich auszuschließen.

    Die spätere Änderung des im Geburtsregister eingetragenen Geschlechts ist aktuell nur im Rahmen eines Verfahrens nach TSG vorgesehen. Und laut TSG muss das Vorliegen einer Form von Intersexualität ausgeschlossen werden, um dieses Verfahren überhaupt in Gang zu setzen.

    Liegt eine Form von Inter* vor, ist eine solche Änderung des Geschlechtseintrags nur möglich, wenn nachgewiesen werden kann, dass der ursprüngliche Geschlechtseintrag von Anfang an falsch war und tatsächlich die Geschlechtsmerkmale des anderen, nicht eingetragenen Geschlechts überwiegen. D.h., der Antrag muss entweder durch das Vorhandensein entsprechender körperlicher Merkmale untermauert werden oder man muss beweisen können, dass diese Merkmale zumindest bei der Geburt vorhanden waren.

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Zuletzt aktualisiert: 16. Dezember 2022

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